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Ausgabe 41/2015

Lolls gab's sogar mal in Berlin!

06.10.2015

Als Robert Heil in Hersfeld geboren wurde, regierte der Deutsche Kaiser. Am 20. November 1868 war das, und die Eltern des kleinen Robert betrieben eine solide Bäckerei. Die sollte der Knirps einmal übernehmen – aber dann kam alles ganz anders.
Nachdem er seine Bäckerlehre in der Heimatstadt abgeschlossen hatte, schickte seine Mutter ihn nach Berlin. In der Hauptstadt sollte Robert seine Fachkenntnisse vertiefen. Berlin galt neben Wien als die Stadt, in der die besten Backwaren Europas hergestellt wurden.
So kam der junge Bäckergeselle in der großen Stadt an, fand eine Stelle und machte innerhalb weniger Jahre eine steile Karriere.
Zunächst wurde er Sozius des Betriebs, in dem er angeheuert hatte. Nicht lange danach, mit 27 Jahren, übernahm er den Betrieb.
Der junge Hersfelder war nicht nur ein guter Bäcker, er war auch ein guter Geschäftsmann. So avancierte Robert Heil zu einem der führenden Bäcker in Berlin, wurde kaiserlicher Hoflieferant und stellte Backwaren her, die so großen Erfolg hatten, dass er sie sogar ins europäische Ausland exportierte. Ein Teil seines Erfolgs gründete darauf, dass er im Gegensatz zu seinen Berufskollegen für hervorragende Arbeitsbedingungen seiner Angestellten gesorgt hatte.
An eine Rückkehr nach Hersfeld war für ihn und seine Familie angesichts dieses Geschäftsverlaufs überhaupt nicht zu denken. Zum Lullusfest allerdings reiste  der erfolgreiche Robert Heil gerne in seine Heimatstadt. Allerdings dauerte die Reise von Berlin nach Hersfeld seinerzeit gut 12 Stunden – wegen seiner Geschäfte und der gesellschaftlichen Verpflichtungen in Berlin war das also nicht immer möglich.

 
Eines der Bad Hersfelder Wahrzeichen ist der Robert-Heil-Turm aus dem Jahr 1930. Der gebürtige Hersfelder Robert Heil, der in Berlin große Karriere als Bäcker und Kaiserlicher Holflieferant gemacht hatte, stiftete das Bauwerk aus Heimatliebe seiner Geburtsstadt.


Wie hilft sich ein erfolgreicher Unternehmer, wenn er Heimweh nach dem Lullusfest hat? Robert Heil löste das Problem auf seine ganz eigene Weise: Er feierte Lolls einfach in Berlin.
In der Hauptstadt gab es nämlich eine „Hersfelder Verbindung“, zu der auch Robert Heil gehörte. Mit dieser Verbindung feierte er gemeinsam mit den Hersfeldern und vielen anderen ein Lullusfest – allerdings nach dem eigentlichen Lolls, im November. Dabei wurden Hersfelder Traditionen aufgegriffen, und die Feiern erregten in der feinen Berliner Gesellschaft so viel Aufsehen, dass sie als liebevolle Karikatur sogar in den Zeitungen erwähnt wurden.


Blick vom Robert-Heil-Turm auf Bad Hersfeld.


Die Heimatliebe des „Exilhersfelders“ Robert Heil, der in Berlin zu den „Oberen Zehntausend“ gehörte, ging so weit, dass er seiner Heimatstadt 1930 den nach ihm benannten „Robert-Heil-Turm“ stiftete. Dieser ist bis zum heutigen Tag eines der beliebtesten Ausflugsziele der Bad Hersfelder. In seinem Haus in Berlin waren Gäste aus Hersfeld jederzeit herzlich willkommen.
Im Zweiten Weltkrieg verlor Robert Heil sein Vermögen fast vollständig: Er wurde ausgebombt, zog in ein anderes Haus, das ebenfalls einen Bombentreffer erlitt. 1944 kehrte er zurück nach Bad Hersfeld - sein gesamtes Hab und Gut passte in einen einzigen Koffer. Nicht einmal der Grundbesitz in Berlin sollte ihm bleiben: 1953 wurde Robert Heil von der DDR enteignet. Am 14. März 1956 verstarb er im Alter von 87 Jahren. Seine Heimatstadt würdigte ihn mit einer großen Trauerfeier, bevor sein Leichnam nach Berlin überführt wurde, wo er neben seiner Frau beigesetzt wurde.


Zeitungskarikatur mit unbekannter Herkunft: Die Gesellschaften, die Robert Heil in Berlin veranstaltete, sorgten in der gehobenen Gesellschaft für großes Aufsehen. Das „Lullusfest“ erfreute sich wohl ganz besonderer Beliebtheit. Der Karikaturist hat sogar den Hersfelder Kirchturm mit in die „Lolls-Zeichnung“ eingebaut.


Der ehemalige Obermeister der heimischen Bäckerinnung, Hans-Heinrich Jäger, hat die ungewöhnliche Lebensgeschichte dieses außergewöhnlichen Mannes in einem Buch zusammengefasst.