06.10.2015
Lollsmontag, Punkt 12 Uhr. Bürgermeister und Feuermeister haben ihre Wechselrede beendet. Die Fackel hat unter dem tosenden Applaus der Menschen das Fierche entzündet. Der Festzug setzt sich in Bewegung. Menschenmassen bevölkern Bad Hersfeld um dieses einzigartige, älteste aller Volksfeste in Deutschland zu feiern. Ausnahmezustand in der Lolls-Stadt. Der Markplatz ist zum Festplatz geworden. Bunt, voller fröhlicher Menschen, Musik, lachende Gesichter. Lolls ist da, die schönste Woche im Bad Hersfelder Jahreskreis. Was könnte es Schöneres geben als dieses Fest der Feste, das jeden so sehr in seinen Bann zieht?
Stopp. Kommando und Uhr zurück. Noch ist es nicht soweit. Bis am Sonntag strahlende Kinder mit ihren Lampions durch die Stadt ziehen und bis am Montag „ein neuer Lollstag“ wird, herrscht im Erdgeschoss des Technischen Rathauses in der Landecker Straße hektisches Treiben. Telefone klingeln. Tausend Fragen müssen beantwortet werden. Hektik. Immer wieder werden Entscheidungen gefordert. Abläufe werden durchgespielt, Pläne zum hundertsten Mal kontrolliert, Checklisten abgearbeitet.
Julia Scholz und Helge Assi vor dem „Masterplan“: Mit einem technischen Zeichenprogramm wird der Festplatz am Computer geplant.
Für Julia Scholz und Helge Assi hat die härteste Zeit des ganzen Jahres begonnen. Adrenalin pur. Rund 50 Schaustellergeschäfte müssen auf dem Marktplatz untergebracht werden. Und zwar so, dass der Bummel über den Festplatz zum puren Vergnügen wird. Eins muss zum anderen passen. Es darf keine Überschneidungen geben. Wenn die Schausteller ihre Geschäfte nicht exakt aufbauen, droht Chaos. Karusselle könnten sich in ihren Fahrten gegenseitig behindern, Rettungsgassen zu eng werden.
„In Bad Hersfeld müssen wir den Festplatz extrem sorgfältig planen“, sagt Helge Assi. „Das ist bei den räumlichen Verhältnissen nicht einfach. Glücklicherweise hatten wir mit Wilfried Roßbach einen unglaublich erfahrenen Lehrmeister, der uns perfekt auf die Aufgabe vorbereitet hat!“
Während Assi die technischen Abläufe auf dem Lullusfest überwacht, ist Julia Scholz für die Organisation des Festes zuständig. Eine sehr anspruchsvolle Aufgabe: Allein rund 30 Veranstaltungen finden während der Lulluswoche im Lolls-Rahmenprogramm statt. Ob Lolls-Lauf, Kasperletheater, ob Dippenmarkt, Festzug, Freiverlosung oder Lollsrock: Die Liste lässt sich beliebig fortführen. „Man darf den Überblick nicht verlieren“, sagt die junge Frau, „und man muss wissen, was wann wo stattfindet und wer dazu was benötigt.“
Je näher das Fest rückt, umso höher steigt der Adrenalinspiegel. Ist an alles gedacht? Sind alle Verträge unter Dach und Fach? Haben alle Beteiligten sämtliche wichtigen Informationen? Ein ums andere Mal werden Ablaufpläne geprüft und durchgegangen. „Es wäre eine Katastrophe, wenn wir zum Beispiel in der Aufbauzeit feststellen würden, dass wegen eines Vertragsproblems ein Geschäft nicht nach Bad Hersfeld kommt und wir eine Lücke auf dem Markplatz hätten.“
Ein Herz für Lolls: Das Lebkuchenherz gehört zum Inventar des Orga-Büros. In diesem Jahr wird das Lullusfest zum 1163. Mal gefeiert.
Helge Assi macht sich derweil wieder auf den Weg zum Marktplatz. Dort wird er nochmals die Markierungen überprüfen, die er mit einer Sprühdose auf dem Pflaster des Marktplatzes angebracht hat. „Hier geht es um Zentimeter“, sagt Assi, der weiß, wie genau die städtischen Vermesser Dirk Heinik und Roberto Meier arbeiten müssen. „Der eingeschränkte Raum für das Fest ist gleichzeitig Fluch und Segen. Fluch, weil wir mit dem letzten Zentimeter rechnen müssen. Und Segen, weil wir dadurch diese einzigartige Innenstadtatmosphäre haben. Hier konzentriert sich alles.“ Auch für Sicherheitskräfte ist Lolls ein anspruchsvolles Fest. „Wir planen den Platz jedes Jahr unter ganz vielen verschiedenen Gesichtspunkten“, sagt Helge Assi. „In diesem Jahr haben wir das Sicherheitskonzept weiter ausgebaut. Erstmals gibt es die Möglichkeit, in Gefahrensituationen einheitliche Durchsagen auf dem Platz laufen zu lassen.“
Die Verantwortung des ältesten deutschen Volksfestes spürt er dabei auf Schritt und Tritt. „Für dieses Fest zu arbeiten, das ist etwas ganz Besonderes. Es ist gleichzeitig Ehre, Erfüllung und Verpflichtung!“
Wenn dann am Montag das Fierche brennt, spürt Helge Assi zum ersten Mal seit Wochen ein wenig Erleichterung. Die währt allerdings nur kurz: Rund eine halbe Million Menschen kommt durchschnittlich in einer Lollswoche nach Bad Hersfeld. „Wir wollen, dass die Menschen alle fröhlich feiern und das nichts schiefgeht“, sagt Assi. „Richtig erleichtert sind wir erst, wenn es wieder vorüber ist “, fügt Julia Scholz hinzu.
Wobei das den Kern auch nicht so richtig trifft. Denn schon jetzt steht auf Helge Assis Schreibtisch eine ganze Batterie von Ordnern. Darin enthalten: 480 Bewerbungen für das Lullusfest 2016. Davon werden rund 50 angenommen. Es gibt also weiterhin jede Menge zu tun für Julia Scholz und Helge Assi. Aber für einen Hersfelder teilt sich das Jahr ohnehin in „vor Lolls“ und „nach Lolls“. Und „nach Lolls“ ist ja gleichzeitig immer wieder auch „vor Lolls!“. Bruder Lolls!