19.05.2015
Er ist der Kopf der „Abteilung für existenzielle Dinge“ und somit zuständig für die wirklich wichtigen Angelegenheiten des Lebens: Matthias Heyer ist Chef des Bad Hersfelder Standesamtes. Gemeinsam mit Tobias Reinhardt und Andrea Braun verwaltet er dort buchstäblich „das Leben“ – und zwar tatsächlich von der Wiege bis zur Bahre. Denn Matthias Heyer und seine kleine Mannschaft beschäftigen sich mit der Beurkundung von Geburten, Eheschließungen – und auch dem Tod.
„Menschliche Dinge sind uns hier wahrhaftig nicht fremd“, sagt der sympathische 51-Jährige. Rund 800 Paare hat der Diplom-Verwaltungswirt verheiratet, seit er 2008 Standesbeamter wurde. „Man bekommt angesichts dieser vielen Trauungen zwar eine gewisse Routine, aber dennoch ist es jedes Mal ein sehr besonderer, feierlicher Augenblick, wenn sich zwei Menschen das Ja-Wort geben.“ In solchen Momenten denkt Heyer nicht daran, dass die standesamtliche Hochzeit durch gesetzliche Änderungen auch einen Teil ihrer Romantik verloren hat. „Früher wurde noch ganz feierlich das Aufgebot bestellt und der Name der Verlobten wurde ausgehängt“, erinnert er sich gerne daran, wie allabendlich Menschen bei ihrem Gang über den Marktplatz Halt am Aufgebotskasten gemacht hatten, um zu sehen, wer den Bund der Ehe eingehen will. „Durch die Datenschutzgesetze ist das nun nicht mehr gestattet. Aus dem Aufgebot wurde die ganz formale ,Anmeldung zur Eheschließung’. Das kommt beim Bürger manchmal nicht so gut an“, weiß der Amtmann aus vielen Gesprächen.
Bevor Matthias Heyer Standesbeamter wurde, war er im damaligen Ordnungsbehördenbezirk zuständig für Gefahrgutüberwachung – ein Schmunzeln kann er sich nicht verkneifen, wenn man auf die Parallele zu seiner heutigen Tätigkeit anspricht. Denn mitunter ähnelt auch das Tätigkeitsfeld des Standesbeamten dem „Gefahrgut“ - vor allem dann, wenn die anwesende Familie bei der bevorstehenden Eheschließung mit dem Objekt der Begierde des eigenen Nachwuchses nicht so recht einverstanden ist.
Seit er die Prüfung zum Standesbeamten abgelegt hat, hat sich in seinem Fachbereich einiges getan. Die einzig verbliebene Geburtenstation im Kreis Hersfeld-Rotenburg besteht im Klinikum Bad Hersfeld. Für das Standesamt Bad Hersfeld bedeutet das: Die Geburtenzahlen des gesamten Kreises Hersfeld-Rotenburg decken sich seither zu fast 100 Prozent mit denen der Stadt Bad Hersfeld. Auch die Zahl der Todesfälle, die im Bad Hersfelder Standesamt beurkundet werden, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Während in früheren Jahren der Hausarzt zum letzten Einsatz an seinem Patienten und zur Feststellung des Todes geholt wurde, ist es mittlerweile der Regelfall, dass die Menschen mit dem Notarztwagen ins Krankenhaus gebracht werden und dort sterben. Diese Todesfälle werden dann bei uns angezeigt.“
Matthias Heyer ist ein lockerer Typ – dennoch merkt man dem Standesbeamten an, wie ernst ihm seine Tätigkeit ist. „Was in Deutschland beurkundet wird, hat einen absoluten Rechtsstatus. Darauf können wir stolz sein, denn diese Urkunden sind ein wesentlicher Teil unserer Rechtssicherheit. Dass man sich darauf verlassen kann, ist unser Anspruch.“ Im Einzelfall bedeutet diese Verlässlichkeit allerdings auch hohen Aufwand: „Es ist nicht mehr die Regel, dass ein Paar aus Bad Hersfeld zu uns kommt und sämtliche nötigen Papiere und Unterlagen auf den ersten Blick vollständig und korrekt vorlegt. Überspitzt gesagt, sieht unser Alltag oft anders aus.
Was macht man zum Beispiel, wenn ein Chinese, der in Mexiko aufgewachsen ist, in Bad Hersfeld eine gebürtige Polin heiraten möchte, die in Amerika ein Kind geboren hat? Wir müssen uns mit internationalem Privatrecht auskennen. Und mitunter muss man sogar sehr aufwändig recherchieren.“Ein Fall aus der Praxis: Afghanische Papiere gelten neben den Dokumenten zahlreicher anderer Länder in der Bundesrepublik zumindest als überprüfungsbedürftig. Wenn ein gebürtiger afghanischer Staatsbürger in Deutschland heiraten möchte und die Dokumente berechtigten Anlass zum Zweifel gelten, wird die deutsche Botschaft in Kabul verständigt.
Dort wird ein sogenannter „Vertrauensanwalt“ eingeschaltet, der seinerseits einen Privatdetektiv in das Bergdorf schickt, aus dem der Heiratswillige stammt. Der Detektiv unterhält sich mit dem Stammesältesten und versucht herauszufinden, ob die eingereichten Dokumente tatsächlich der Wahrheit entsprechen. „Das ist eine zeitraubende Angelegenheit und auch nicht ganz billig“, sagt Matthias Heyer. „Die Kosten dafür trägt der künftige Ehemann, und vom Antrag auf die Eheschließung bis zum Trauungsakt kann deshalb schon mal ein halbes Jahr vergehen.“ Entschieden werden solche Fälle dann vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt. Für den Bad Hersfelder Standesbeamten sind diese Angelegenheiten das Salz in der Suppe seiner Tätigkeit. „Das macht unsere Arbeit so interessant und spannend. Kein anderes Gebiet vereint auf diese Weise Internationalität, Recht, Verwaltung und Menschlichkeit."
Neben Geburten und Hochzeiten ist die Beurkundung von Todesfällen das dritte große Gebiet, in dem Matthias Heyer und seine Kollegen tätig werden. „Das ist oft sehr berührend - vor allem dann, wenn man den Tod eines guten Bekannten beurkunden muss. Man wird man ja auch an die eigene Vergänglichkeit erinnert, sondern geht auch jeden Tag mit der Tatsache um, dass der Tod zum Lebenszyklus dazugehört.“ Standesbeamter zu sein ist für Matthias Heyer dennoch ein echter Traumjob. „Diese Vielseitigkeit ist überaus reizvoll“, sagt er, „und unsere Dienstleistung ist elementar für Gesellschaft und Staat.“ Besonders erfreulich war für den Bad Hersfelder Standesamtsleiter eine Statistik im vergangenen Jahr: Es gab erstmals seit längerer Zeit wieder mehr Geburten als Todesfälle zu beurkunden. „2014 hatten wir kreisweit einen echten Geburtenüberschuss. 731 Todesfällen standen 948 Geburten gegenüber. Das ist doch etwas wirklich Schönes!“