03.03.2015
„Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“, soll einst der ehemalige britische Premierminister und legendäre Staatsmann Winston Churchill gesagt haben - zumindest wird ihm dieses Zitat zugeschrieben.
Was die Einwohnerzahlen von Bad Hersfeld betrifft, hätte der Mann mit dem nicht minder legendären trockenen Humor seine helle Freude gehabt. Denn Bad Hersfeld hatte vor vier Jahren, dank statistischer Änderungen, auf einen Schlag knapp 1.600 Einwohner verloren. Und das ging so: Unter den damaligen Bundesinnenministern Thomas de Maizière und Hans-Peter Friedrich (2011 gab es eine Kabinettsumbildung) wurde in Zusammenhang mit den Statistischen Landesämtern eine bundesweite Bevölkerungsstatistik namens „Mikrozensus“ durchgeführt.
Dieser Mikrozensus, der in ganz Europa stattfand, sollte nicht nur aktuelle Zahlen über die Einwohner der Kommunen in Deutschland liefern, sondern auch als Grundlage für die sogenannten „Schlüsselzuweisungen“ dienen. Denn jede Kommune erhält von den Bundesländern pro Einwohner einen bestimmten Geldbetrag, um die gesetzlichen Verwaltungsaufgaben ausführen zu können.
In Hessen beträgt diese „Schlüsselzuweisung“ sieben Euro für Gemeinden unter 30.000 Einwohner – aber neun Euro für Kommunen, die mehr als 30.000 Einwohner haben. So konnte man bei geschicktem Einsatz des Mikrozensus, vor allem bei Kommunen, die genau an dieser magischen Grenze lagen, jede Menge Geld einsparen – wenn man die Statistik ordentlich nutzte. Um die Einwohnerzahlen also möglichst effektiv im Sinne der Bundes- und Landeshaushalte zu bestimmen, wurden nicht alle Einwohner der Kommunen abgefragt. Lediglich ungefähr jeder fünfte (!) Haushalt erhielt einen Fragebogen, in dem man angegeben musste, wie viele Personen zu dem Haushalt gehörten.
So entstand eine große Unschärfe in der Ermittlung der tatsächlichen Zahlen. Wenn nämlich nur jeder fünfte Haushalt abgefragt wird, dann fallen, statistisch gesehen, sehr viele Großfamilien mit vielen Familienmitgliedern durch das Raster. Bereits heute besteht bundesweit ein Drittel aller Haushalte aus nur einer einzigen Person. Single-Haushalte werden in einer solchen Erhebung also überproportional erfasst. So kam es also, dass Bad Hersfeld auf einmal nur noch 28.728 Einwohner zählte – statt der 30.301, die die Stadt Bad Hersfeld selbst mit ihren offiziellen Zahlen an das Statistische Landesamt übermittelt hatte.
Nun könnte man also nach offizieller Zahlenlage des Landes sagen: Auch Bad Hersfeld verliert, wie alle Kommunen, stetig Einwohner. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall – denn über einen Zeitraum von fünf Jahren hat Bad Hersfeld über 400 Einwohner hinzugewonnen. 2009 nämlich verfügte die Kommune über 29.045 Einwohner, Ende des Jahres 2014 waren es 29.464.
Wie kompliziert diese Erhebungen eigentlich sind und welchen Schwankungen die Einwohnerzahl von Jahr zu Jahr unterliegen, zeigen andere Zahlen: Allein im vergangenen Jahr 2014 waren 1.855 Menschen nach Bad Hersfeld gezogen, täglich gab es also im Durchschnitt fünf neue Einwohner in der Kreisstadt. Dagegen hatten im selben Zeitraum 1.864 Menschen die Stadt verlassen. Per Saldo gab es 2014 also mehr Weg- als Zuzüge. Im Jahr zuvor allerdings gab es in Bad Hersfeld einen "Zuwanderungsüberschuss" von 230 Menschen.
Noch gar nicht berücksichtigt sind bei all diesen Zahlen die Geburten und Todesfälle oder die Zahl der Menschen, die hier einen Zweitwohnsitz haben und vieles mehr. Inklusive derjenigen, die in der Lullusstadt einen Zweitwohnsitz haben, betrug die Einwohnerzahl am 31. Dezember 2013 genau 30.201 Menschen.
Um den Überblick über diese ganzen Zahlen und Statistiken zu erhalten, arbeitet am Marktplatz im Bürgerbüro ein außerordentlich effektives Team unter Leitung von Carmen Seitz. Sie ist die Chefin dieser städtischen Abteilung und damit eine derjenigen, die den absoluten Überblick über die Bevölkerungsstatistik haben - viel besser, als es jeder Mikrozensus könnte.
Und Carmen Seitz hat eine gute Botschaft für alle in der Stadt: „Bad Hersfeld ist begehrt und sehr beliebt – wir sind eine der ganz wenige Kommunen im Regierungsbezirk, die unterm Strich stetigen Bevölkerungszuwachs haben.“ Damit hat sie völlig Recht. Nicht nur statistisch - und nicht nur zur besonderen Freude von Winston Churchill.