03.03.2015
Volkswirtschaftlich besser als Lingg von Linggenfeld
Sind die Logistiker für Bad Hersfeld erfolgreicher als unser Held der Heimat, Stadtretter Lingg von Linggenfeld? Lassen Sie sich von den Fakten überraschen.
Rettete 5.222 Hersfeldern ihre Existenz: Lingg von Linggenfeld
Für seine Heldentat, mit der er die Stadt Hersfeld gerettet hat, wird Lingg von Linggenfeld noch heute verehrt.
Er erhielt ein Denkmal und wurde Namenspatron der „guten Stube“ der Stadt. Gemessen an der Leistung Linggenfelds müsste zumindest aus volkswirtschaftlicher Sicht, den Gewerbebetrieben der Stadt Bad Hersfeld, allen voran den Logistikern, eine noch viel größere Ehre zuteil werden.
Denn in nackten Zahlen ausgedrückt hat Lingg von Linggenfeld im Jahre 1807 genau 5.222 Hersfeldern die Existenz gerettet. Geht man davon aus, dass jeder dritte von ihnen „arbeiten ging“, hat Lingg von Linggenfeld der Stadt 1.740 Arbeitsplätze erhalten. Das können die Logistiker besser – und das, ohne dabei ihr Leben zu riskieren.
Heute, da Bad Hersfeld rund 30.000 Einwohner zählt, beschäftigen allein die acht maßgeblichen Logistik-Firmen in Bad Hersfeld 4.550 Menschen – das entspricht rund 10 Prozent aller Arbeitnehmer des Landkreises Hersfeld-Rotenburg.
Diese uneingeschränkte Erfolgsbilanz hat maßgeblich dazu beigetragen, die einschneidenden Arbeitsplatz-Verluste aus den Neunzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts nicht nur wieder wettzumachen, sondern die Beschäftigungszahlen aus der „guten alten Zeit“ deutlich zu übertreffen.
1984, als sowohl die Hoechst AG als auch Siemens mit großen Betriebsstätten über 1.200 Arbeitnehmer in Bad Hersfeld vertreten waren, betrug die Arbeitslosenquote laut Auskunft der Arbeitsagentur 10,6 Prozent.
Ihren traurigen Höhepunkt erreichte die Statistik 1997, als der Wegfall der Zonenrandförderung voll auf unsere Region durchgeschlagen hatte. Die Siemens AG hatte ihr Werk in Bad Hersfeld aufgegeben, die Telekom war aus der Kreisstadt abgezogen, Hoechst hatte Stellen abgebaut. Durch die Schließung der amerikanischen Kaserne waren Arbeitsplätze verloren gegangen. Das Fördergefälle zwischen Hessen und Thüringen hatte ein Übriges zu dem traurigen Rekord getan: 13,2 Prozent Arbeitslose waren die dramatische Folge einer Situation, die vielen Familien unserer Stadt Hoffnungslosigkeit und finanzielle Sorgen brachte.
Der Logistik-Boom brachte einen radikalen Wandel. Zum Jahresende 2013 betrug die Arbeitslosenstatistik in Bad Hersfeld 4,4 Prozent – die zweitbeste Quote der Nachwendezeit, in der das Rekordtief 4,3 Prozent (2011) betrug. Mit dieser Quote ist Bad Hersfeld eine klassische Einpendler-Kommune: Mehr als 12.000 Menschen kommen täglich hierher, um an ihren Arbeitsplatz zu gelangen, während rund 4.000 Bad Hersfelder die Stadtgrenzen verlassen, um ihrer Beschäftigung anderenorts nachzugehen.
Insgesamt bieten die Arbeitgeber in Bad Hersfeld 18.860 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze an; das sind rund 200 weniger als im Rekordjahr 2011. Jedoch hat sich dabei die Statistik der wohnortnahen Arbeitsplätze innerhalb der vergangenen vier Jahre deutlich zum Besseren gewandt. Denn mit 10.144 Menschen, die 2014 in Bad Hersfeld gewohnt und auch gearbeitet haben, ist ein neuer Rekord aufgestellt worden.
Wo viel Licht ist, fällt auch vermeintlicher Schatten. Immer wieder wird der hohe Flächenverbrauch der Logistik-Betriebe ins Feld geführt. In nackten Zahlen sieht dieser für unsere Kreisstadt wie folgt aus:
Die gesamten Grundstücksflächen, die von den Logistikern in Anspruch genommen werden, betragen ca. 661.800 Quadratmeter (94 durchschnittliche Fußballfelder).
Dabei wurden rund 322.00 Quadratmeter (45 durchschnittliche Fußballfelder) mit Hallen überbaut.
Weitere Logistik-Ansiedlungen in dem Ausmaß von Amazon sind in Bad Hersfeld wohl in absehbarer Zeit nicht möglich – dazu fehlen schlichtweg weitere geeignete Flächen.
So konzentriert sich die Stadt derzeit darauf, klassischen Mittelständlern und kleineren Betrieben die hervorragende Lage im Herzen von Deutschland schmackhaft zu machen – unter anderem mit dem „Plus-4-Faktor“. Das bedeutet, dass Produzenten oder Vertriebsorganisationen an jedem Tag der Woche bis zu vier Stunden länger Zeit haben, ihre Versandware auf die Straße zu bringen, als das in anderen Orten der Bundesrepublik der Fall wäre – ein Riesenvorteil, der eben nur durch die Nähe zu den Logistikbetrieben und die ausgezeichnete zentraleuropäische Lage zu erreichen ist.
Extra-Info zum Logistik-Standort Bad Hersfeld:
Verfügbare Flächen:
Derzeit sofort frei verfügbar ist die Fläche „Vor dem Buchwald“ in unmittelbarer Nachbarschaft zur Firma Grenzebach. Hier bietet die Stadt Bad Hersfeld 45.000 Quadratmeter an.
In der Konrad-Zuse-Straße vermarktet ein privater Investor rund 70.000 Quadratmeter, und an dem geplanten Autohof nahe Amazon bietet ein weiterer privater Investor 50.000 Quadratmeter in unmittelbarer Autobahnlage an. Im Vordergrund der Anbieter von Gewerbeflächen steht mittlerweile die Flächenbereinigung. Dabei geht es darum, Grundstücke, die noch bebaut sind oder genutzt, aber nicht mehr benötigt werden, zu „recyceln“ und so einer neuen Nutzung zuführen zu können. Klassisches Beispiel ist das Grundstück mit der Bauruine des bayerischen Labors von Dr. Nuss. Das Grundstück im Gewerbegebiet Haune 2 befindet sich mittlerweile im Eigentum eines Bad Hersfelder Investors und wird auf dem Grundflächenmarkt angeboten.
Wichtige Logistikbetriebe:
Die maßgeblichen Logistik-Betriebe in Bad Hersfeld, in der Reihenfolge ihrer Mitarbeiteranzahl (miteinbezogen wurden Kühne & Nagel, Hauneck und DHL, Ludwigsau):
Amazon.de (zwei Standorte: Obere Kühnbach, Eichhof); Libri (Georg Lingenbrink GmbH); DHL Supply Chain (Mecklar); Spedition 24plus; RS Components; C. Drude KG (heute: Kühne & Nagel); Libri (booxpress)
Die genannten Zahlen und Daten wurden zur Verfügung gestellt von:
- Agentur für Arbeit, Bad Hersfeld
- Technische Stadtverwaltung, Leiter Johannes van Horrick
- Wirtschaftsförderungsgesellschaft Hersfeld-Rotenburg, Geschäftsführer Bernd Rudolph