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Ausgabe 12/2017

Erinnerung an Bad Hersfelder Opfer des Nationalsozialismus

21.03.2017

Vor dem Haus Vogelgesang 7, dem ehemaligen Wohnhaus des jüdischen Lehrers Isidor Landsberg, und an weiteren Standorten wurden am 16. März Stolpersteine zum Gedenken an Rini Landsberg und ihren Sohn Jakob verlegt. An der feierlichen und bewegenden Veranstaltung mit Ansprachen, Text- und Musikbeiträgen nahmen 19 Nachfahren der Landsbergs teil, die aus Israel angereist waren, sowie viele Hersfelder Bürger.

Insgesamt wurden an dem Tag in Bad Hersfeld 14 Stolpersteine zur Erinnerung an Hersfelder Bürger verlegt, die von den Nazis ermordet worden waren. Damit gibt es jetzt insgesamt 75 Stolpersteine in der Kreisstadt.

Am Nachmittag sprach der Erste Stadtrat Gunter Grimm, zusammen mit Dr. Heinrich Nuhn von der Stolperstein-Initiative Bad Hersfeld und dem Kreisgeigeordneten Thomas Giese, vor den israelischen Gästen im Buchcafe. Hier der Text seiner kurzen Ansprache:

"Liebe Gäste aus Israel,

sehr geehrter Herr Dr. Nuhn,

sehr geehrte Damen und Herren,

mein Name ist Gunter Grimm. Ich darf Sie als Erster Stadtrat recht herzlich im Namen der Kreisstadt Bad Hersfeld begrüßen.

Was Deutsche anderen Menschen antaten, das, was in deutschem Namen geschah, das legt uns eine Verpflichtung auf. Die Zeit des Nationalsozialismus und der Holocaust war ein Zivilisationsbruch ohnegleichen. Das ganze Ausmaß der Verfolgung von Menschen, die allein deshalb verfolgt wurden, weil sie Juden waren, sowie die detailbesessene Planung der Mordmaschinerie in den Vernichtungslagern, sie übersteigen jedes Vorstellungsvermögen.

Wir leben aktuell in einer Zeit, in der Populisten weltweit Zulauf erhalten, die mit vermeintlich einfachen Lösungen aufwarten, die im Wesentlichen darin bestehen, alles auszusperren und zurückzuweisen, was einem fremd und unbekannt erscheinen mag.

Es ist Aufgabe der Gegenwart, von uns allen, dafür zu sorgen, dass verbrecherische Abschnitte unserer Vergangenheit nicht aus dem Gedächtnis gelöscht werden und sich bestimmte Ereignisse, sei es aus Fremdhass oder aus Antisemitismus geboren, nie mehr wiederholen. Deshalb, meine Damen und Herren, sind wir heute hier.

Die Stolpersteine sind solch ein Akt gegen das Vergessen. Sie erinnern uns ganz konkret an die Zeit des Grauens. Die Stolpersteine machen aus Geschichte ganz reale Namen und Schicksale, an ganz realen Orten. An Straßen und Wegen in Bad Hersfeld, an denen wir selbst uns heute bewegen.

In unserer Stadt wurden in den letzten Jahren insgesamt 61 Stolpersteine verlegt. Heute sind weitere 14 Steine hinzugekommen. Das Projekt wird betreut von der „Stolperstein-Initiative Bad Hersfeld“, in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Bad Hersfeld-Rotenburg.

Wenn wir seit heute also über 75 Standorte mit Stolpersteinen verfügen, dann steckt eine enorme Recherchearbeit dahinter, um all die Namen, Biografien und sonstigen Umstände in Erfahrung zu bringen. Für diese Leistung sind wir der Stolperstein-Initiative Bad Hersfeld mit Herrn Dr. Nuhn an der Spitze sehr dankbar.

Ganz besonders darf ich unsere 18 Gäste aus Israel willkommen heißen. Durch ihre Anwesenheit wird der Würdigung des Mordschicksals ihrer Großmutter Rini Landsberg und deren Sohn Jakob sowie auch der anderen Hersfelder Verfolgungsopfer eine besondere Wichtigkeit verliehen.

Ich freue mich sehr, dass Sie den weiten Weg nach Deutschland, nach Bad Hersfeld, auf sich genommen haben. Auch und gerade, weil ich mir vorstellen kann, dass dies vielleicht nicht für jeden von Ihnen eine einfache Entscheidung gewesen ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, statt eines offiziellen Empfang im Rathaus haben wir uns entschlossen, auf anderem Wege mit Ihnen in Kontakt zu treten. Wir suchen nicht nach Repräsentation, sondern wir möchten das Gespräch mit Ihnen, trotz aller möglichen Sprachbarrieren. Von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch - damit sich Menschlichkeit im Dialog immer bewahren kann.

Liebe Nachfahren der Familie Landsberg: Wir sind sehr froh, dass Sie gekommen sind."